Bundestag- Nicht jeder bei uns trägt Anzug oder Kostüm

Haltestelle Brandenburger Tor, Ausgang Richtung Reichstag, strahlend grauer Himmel, ich erblickte das Brandenburger Tor. Unter den Linden, Wilhelmstraße, die Französische Botschaft, Dorotheenstraße, Doro 101, ich war da. Der Blazer saß, die Haare lagen.

Im Gebäude erwartete ich gestriegelte Menschen in Anzug und Kostüm, gestresst, hetzend am mobilen Telefon ohne ein Auge für ihre Umgebung. Es war das komplette Gegenteil. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in ihren Büros, die Flure waren fast leer. Der vorherrschende Kleidungsstil in Nicht-Sitzungswochen war Jeans und Bluse beziehungsweise Hemd, in den Sitzungswochen war man etwas schicker unterwegs.

 

Alina Socha

bei der Arbeit

Wenn man im Flur auf jemanden traf, wurde man immer freundlich gegrüßt und am Telefon duzte man sich unter den Mitarbeitern.

Später bekam ich meinen personalisierten Hausausweis. Beim Sicherheitspersonal nur „Der Blaue“ genannt. „ Muss ich jetzt durch die Sicherheitskontrolle?“- „Ne Sie haben ja jetzt n‘ Blauen“. „Ist es ok, wenn meine Praktikantin die Gäste zurückführt?“- „Ich brauch‘ nur n‘ Blauen“. Den Blauen konnte man sich um den Hals hängen, ihn umlassen, bis man zu Hause auf der Matte stand und sich wichtig fühlen. Ich beließ es dabei, den Ausweis an seinem Bestimmungsort zu tragen und war mir wegen des Ablaufdatums auch bewusst, dass es ein Privileg auf Zeit ist, sich frei im Bundestag zu bewegen.

Meine erste Woche war eine Nicht-Sitzungswoche, also eine Bürowoche, zwar war direkt am Montag die Sondersitzung zu den Waffenlieferungen, aber ich war in der Zeit im Büro, weil ich keine der begehrten Plenarkarten bekommen habe. In den zwei sitzungsfreien Wochen gehörten die Nachbereitung der Delegationsreise meines Abgeordneten Michael Thews im Rahmen des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, die Verwaltung und Erweiterung der Kontaktdatenbank, Telefonate mit wissenschaftlichen Mitarbeitern anderer Abgeordneter, Koordinierung von zukünftigen Veranstaltungen und die Mitwirkung bei Pressemitteilungen zu meinen Aufgaben. Büroaufgaben die auch in anderen Bereichen anfallen; mit dem wichtigen Unterschied, dass als Ergebnis der Arbeit die Vertretung der Interessen des Deutschen Volkes steht.

Alina und MIchael

In den Sitzungswochen hatte ich die Möglichkeit Michael Thews zu begleiten so war ich zum Beispiel bei Gesprächen mit Interessenvertretern und Bürobesprechungen dabei, nahm an Umweltausschuss- und AG-Sitzungen teil und hatte die Möglichkeit, einer Bundestagsdebatte auf der Besucherebene zu folgen. Um Bundestagsdebatten live folgen zu können braucht man die obengenannten Plenarkarten, die bei Praktikanten so beliebt sind, wie Justin Bieber Karten bei 14-jährigen. Bei den Sitzungen, aber vor allem bei den Gesprächen habe ich Eindrücke davon bekommen, wie Interessensvertretung aussieht, was es heißt Politik zu machen. Wirklich überzeugt eine Meinung zu vertreten und die Interessen seines Wahlkreises zu erläutern und dafür einzustehen, haben mich sehr beeindruckt. Im Büro habe ich gesehen, was an Vorbereitung notwendig ist, um überhaupt Politik zu machen zu können, was inhaltlich und organisatorisch zu leisten ist, habe ich im Voraus sehr unterschätzt.

 

Alina Socha 2

vor dem Sitzungsplan

Durch das Praktikantenprogramm bekam ich darüber hinaus Möglichkeiten, andere Politikbereiche, als nur die Themenfelder des Abgeordneten kennen zu lernen. Im Rahmen dessen habe ich einen Vortrag zum Thema Wirtschafts- und Finanzkrise gehört und an einem Gespräch mit dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zum Thema Zukunft des Parlamentarismus. Des Weiteren konnte ich Blicke hinter die Türen von Bundeskanzleramt und Bundesrat werfen.

Aus den 4 Wochen Praktikum nehme ich viele spannende Einblicke hinter die Kulissen des Politikmachens mit. Ich habe vor allem gelernt, dass nicht nur der Bürger von einer Gesetzesänderung betroffen ist, sondern vor allem Kommunen und eine Vielzahl von Unternehmen, weil sie es sind, die diese Gesetze umsetzen müssen. Dadurch, dass ich Einblicke in die geplante Novelle des Elektrogesetzes bekommen habe, habe ich nicht nur erfahren, wo ich demnächst meine Elektro- und Elektronikaltgeräte hinbringen soll, sondern auch, dass ich sie im Sinne der Nachhaltigkeit wegbringen sollte. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Michael Thews, der mir dieses Praktikum ermöglicht hat und den beiden Mitarbeiterinnen im Berliner Büro, die mich sehr herzlich in das kleine Team aufgenommen haben.
Alina Socha