Lebensmittelverschwendung     Geniesst uns 12.09.2014 219Das Auge isst mit– das wusste schon Oma. Allerdings wurden zu Omas Zeiten die Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern die Reste mit viel Wissen verwertet. Dieses Wissen ist in vielen Haushalten heute nicht mehr vorhanden, aber auch bei der Herstellung und im Handel hat sich viel geändert. Bei der Ernte werden Obst und Gemüse erst gar nicht vom Feld geholt, wenn sie in Farbe, Form oder Größe nicht mit dem Ideal übereinstimmen. Im Handel werden Lebensmittel nahe des Mindesthaltbarkeitsdatums, mit beschmutzten Verpackungen-ohne Auswirkungen auf den Inhalt, oder mit kleinen Dellen aus dem Verkauf genommen, obwohl sie den makellosen Produkten im Geschmack in nichts nachstehen. Um ins Bewusstsein zu rufen, dass diese Lebensmittel noch genießbar sind, hat mich die Initiative „Genießt uns!“ vergangenen Freitag zu einem Frühstückssnack eingeladen, bei dem ausschließlich Lebensmittel verteilt wurden, die anderenfalls vom Handel oder von Bäckereien weggeworfen worden wären. Dazu gehörten sowohl Backwaren, wie Laugenbrezel, Brötchen und Kuchen vom Vortag, als auch Obst mit leichten Dellen, aber auch Trinkpäckchen und Schokolade, die bis 2016 haltbar waren. Sie wurden vom Handel aussortiert, weil die Verpackungen beschmutzt waren oder mit dem Grund, dass die Produkte nicht mehr lange genug haltbar seien, so ein Aktivist. Mein Résumé der Veranstaltung war: „Das Gebot der Abfallvermeidung gilt auch für Lebensmittel; darüber lohnt es sich nachzudenken, zumal ja auch die Verpackung im Müll landet. Ich finde es gut, wenn Menschen sich über Alternativen Gedanken machen und habe gerne diese Aktion unterstützt. Das auch Sachen vom Vortag und mit kleinen Fehlern lecker schmecken, haben die Veranstalter aus meiner Sicht jedenfalls bewiesen.“

Die Initiative „Genießt uns!“ wollte mit der Aktion an den Antrag im Bundestag von 2012 „Lebendmittel reduzieren“ erinnern und die Umsetzung antreiben. Denn in Deutschland werden jährlich 13 Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro von der Ernte bis zum Endverbraucher weggeworfen. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) haben die Privathaushalte daran einen Anteil von 6,7 Millionen Tonnen, das sind pro Kopf knapp 82 Kilogramm jährlich; wobei, laut der Verbraucherzentrale NRW, 65% der weggeworfenen Lebensmittel vermeidbar gewesen seien.Lebensmittelverschwendung     Geniesst uns 12.09.2014 234

Anstatt sie zu entsorgen, geben einige Händler ihre aussortierten Lebensmittel an eine von deutschlandweit über 900 Tafeln. Die Lebensmittel erreichen dann ca. 1,5 Millionen Menschen in Deutschland. Auch im Kreis Unna und in Hamm gibt es Tafeln, in denen die Menschen einmal in der Woche Lebensmittel kostenlos oder für einen symbolischen Betrag abholen können. In Werne zum Beispiel werden durch den Einsatz von 14 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern jede Woche rund 180 Personen mit zusätzlichen Lebensmitteln versorgt, weil der derzeitige Lebensunterhalt der betroffenen Personen nicht für das Leben ausreicht. Die ehrenamtlichen Helfer sammeln bereits am Vortag die Lebensmittel bei verschiedenen Händlern und bereiten sie für die Verteilung am nächsten Tag vor. Bei den Tafeln ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach Lebensmitteln deutlich gestiegen. Darum wäre es gut, wenn sich weitere Händler für die Bereitstellung von Lebensmitteln bereiterklären würden.

Darüber hinaus gibt es für Privathaushalte in vielen Städten, im Kreis zum Beispiel in Lünen und Selm, die Möglichkeit des Foodsharings (zu Deutsch: des Essenteilens). Das Prinzip ist simpel: Ist der Kühlschrank vor dem Urlaub noch viel zu voll, schmeckt das eingekaufte Weingummi nicht so toll, wie gedacht oder hat man über den eigenen Bedarf eingekauft, kann man seine überflüssigen Speisen in den Facebook-Gruppen zum Tausch anbieten oder verschenken.

Problematisch am Wegwerfen von Lebensmitteln ist aus ethischer Sicht nicht nur, dass Bedürftige hierzulande mit den Lebensmitteln versorgt werden könnten, sondern auch, dass in ärmeren Ländern die Äcker mit Lebensmitteln bestellt werden, die nach Europa exportiert werden sollen. Hier werden die Lebensmittel weggeschmissen, im Anbauland selbst sind sie knapp. Des Weiteren wird die Natur vom Wegwerfverhalten negativ in Mitleidenschaft gezogen, da 30% der weltweiten Anbaufläche für Lebensmittel verschwendet werden, die später weggeworfen werden. Auch bedeutet jedes weggeworfene Lebensmittel einen unnötigen Verbrauch von Ressourcen wie Energie und Wasser und vermeidbare CO2- Emissionen.